Das Warum
Hintergrund
Hypnose – seit der Erlangung grosser Bekanntheit im 18. Jahrhundert durch Franz Anton Mesmer – ist bis heute eine Quelle der Faszination, aber auch von Missverständnissen und grosser Skepsis. In der Allgemeinbevölkerung sind falsche Auffassungen der therapeutischen Hypnose weit verbreitet. Krankenkassen akzeptieren Hypnose nicht als gängige oder wirksame Methode wegen Berührungsängsten und vermeintlichen Reputationsrisiken.
In den schulmedizinischen und akademischen Kreisen wird sie des Weiteren häufig als Tabu, Esoterik und unwissenschaftlich angesehen. Dies, obwohl klinische Studien gute Evidenz für die Wirksamkeit der Hypnose bei einer grossen Bandbreite von Krankheitsbildern zeigen wie z. B. Reizdarmsyndrom, akute/chronische Schmerzen, Ängste und Phobien, Depressionen, posttraumatische Belastungsstörungen, dermatologische Beschwerden und Asthma.
Einer der gewichtigsten Gründe für die Skepsis gegenüber der Hypnose im akademischen Umfeld liegt am mangelnden Verständnis über deren Wirkmechanismen. Denn trotz einer Vielzahl an – seit den 90er Jahren bis heute – durchgeführten Grundlagenstudien, besteht weiterhin kein Konsens betreffend den neurophysiologischen und neuropsychologischen Wirkmechanismen. Ein aktuelles und sehr umfangreiches Review fasst dieses Faktum treffend zusammen:
“Trotz der wachsenden Zahl von Neuroimaging-Studien, die Hypnose untersuchen, gibt es wenig Konsens über die neuronalen Mechanismen und (zu) viel Inkonsistenz zwischen den Ergebnissen. Die Vielschichtigkeit der Hypnose, kombiniert mit dem Mangel an kohärenten methodischen Standards in diesem Bereich, dürfte diese Heterogenität der Ergebnisse erklären.” (Landry, M., Lifshitz, M., & Raz, A. (2017). Brain correlates of hypnosis: A systematic review and meta-analytic exploration. Neuroscience and biobehavioral reviews.)
Aufgrund dieser diametralen Datenlage bleibt weiterhin die essenzielle Frage ungeklärt, inwiefern es sich bei der Hypnose um einen veränderten neurophysiologischen (Bewusstseins-)Zustand handelt. Dazu bestehen bis heute hitzige und emotionale Debatten zwischen den verschiedenen Lagern. Von “Hypnosetherapie bedingt einen bestimmten Trancezustand” bis zu “Hypnotischen Trancezustand gibt es nicht und Suggestionen im Wachzustand sind ausreichend” existiert eine grosse Bandbreite an Konzepten (Mazzoni, G., Venneri, A., McGeown, W. J., & Kirsch, I. (2013). Neuroimaging resolution of the altered state hypothesis. Cortex; a journal devoted to the study of the nervous system and behavior, 49, 400–410).
Die dargelegte Problematik der Hypnose-Grundlagenforschung kann grösstenteils auf vier hauptsächliche Aspekte reduziert werden. Diese sind dezidiert in mehreren grossen Übersichtsarbeiten zusammengefasst, wovon vor allem diese hier dem interessierten Leser empfohlen sei: Jensen, M. P., Jamieson, G. A., Lutz, A., Mazzoni, G., McGeown, W. J., Santarcangelo, E. L., Demertzi, A., Pascalis, V. de, Bányai, É. I., Rominger, C., Vuilleumier, P., Faymonville, M.-E., & Terhune, D. B. (2017). New directions in hypnosis research: Strategies for advancing the cognitive and clinical neuroscience of hypnosis. Neuroscience of consciousness, 3.
- Hohe Heterogenität in Bezug auf die verwendeten Hypnosemethoden
Die verwendeten Hypnosemethoden unterscheiden sich beträchtlich zwischen den Studien. Mangelnde Standardisierung der Verfahren führt zusätzlich zu Heterogenität innerhalb der Studien. Fehlende Angaben zur Art der durchgeführten Hypnose erschweren eine adäquate Replikation der Studien durch andere wissenschaftliche Gruppen. - Unterschiedliche oder unzureichende Definition des Hypnosezustands
In den Studien wird die Definition der hypnotischen Zustände selten beschrieben. Ohne klare Definition der Zustände ist die Vergleichbarkeit der Studien limitiert. - Unimodale Untersuchungsmethoden
Meist wird nur eine neurophysiologische Untersuchungsmethode verwendet, üblicherweise die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRI) oder das Elektroenzephalogramm (EEG). Idealerweise werden aber solche Methoden kombiniert angewendet, da sie unterschiedliche Aspekte der Hirnfunktion messen. - Unzureichende Stichprobenzahlen
Dieser Punkt ist besonders kritisch, da dadurch die Aussagekraft der statistischen Analyse nicht gewährleistet werden kann. Neuroimaging-Hypnosestudien wurden bis anhin mit sehr geringen Fallzahlen durchgeführt, typischerweise deutlich unter 20 Probanden pro Gruppe.
Das Wie
HypnoScience®
HypnoScience® ist eine eingetragene Marke der Hypnose.NET GmbH / OMNI Hypnosis International und Arbeitstitel für all unsere Bemühungen, welche darauf abzielen, die Hypnose in der Gesellschaft und in der Medizin besser zu verankern. Das Forschungsprojekt „multimodal investigation of distinct hypnotic states“ ist ein Kooperationsprojekt der Universität Zürich und der Hypnose.NET GmbH / OMNI Hypnosis International. Es zielt in einer ersten Phase auf eine hochqualitative Untersuchung der neurophysiologischen Korrelate der Hypnose und ihrer Sub-Zustände ab.
Das Ziel ist die Bildung eines soliden Fundaments, worauf weiterführende Grundlagen- und klinische Hypnosestudien aufbauen können.
OMNI Hypnosis International / Hypnose.NET GmbH leisten mit HypnoScience® einen wertvollen Beitrag zur Akzeptanz und Einbettung der Hypnose im akademischen und klinischen Umfeld. Längerfristig streben wir mit HypnoScience® das Ziel an, die Unterstützung der Krankenkassen zu erhalten, und den Einsatz von Hypnosetherapie in der allgemeinen Bevölkerung zu fördern. Wir sind überzeugt davon, dass wir damit einen Beitrag zur Eindämmung der ausufernden Gesundheitskosten leisten können, indem der Genesungsprozess gleichzeitig verbessert und verkürzt wird. Um dieses Ziel bestmöglich anzugehen, sehen wir zunächst die Notwendigkeit, die Effekte der Hypnose auf Grundlagenebene zu erforschen, womit in erster Linie die oben aufgeführten kritischen Punkte geklärt werden sollten. Das Forschungsprojekt „multimodal investigation of distinct hypnotic states“ greift sie auf einzigartige Art und Weise auf:
- Verwendung der hoch standardisierten OMNI-Hypnose-Methode
Diese ISO-zertifizierte Methode ermöglicht eine hoch standardisierte, reproduzierbare und einheitliche Induktion unterschiedlicher Hypnosezustände. Sie verwendet bei jeder Person den exakt gleichen Prozess und ist weltweit standardisiert. Somit wird die methodische Varianz innerhalb und zwischen den Studien deutlich reduziert. Ein sehr wichtiger Aspekt ist, dass dieses Vorgehen die Replikation durch andere wissenschaftliche Gruppen ermöglicht. - Klare Definition der Hypnosezustände nach OMNI
OMNI-Hypnose definiert unterschiedliche Hypnosezustände und verwendet klare Kriterien für die Identifikation. Aufgrund dieser a-priori Zustandsdefinition ergibt sich die Möglichkeit, eine der wohl interessantesten Fragen im Zusammenhang mit Hypnose zu klären: Gibt es unterschiedliche Zustände und können diese einem eindeutigen neuralen Korrelat zugeordnet werden? - Multimodales Vorgehen
Jede Imaging-Technik hat spezifische Vor- und Nachteile. Durch die Kombination diverser sich ergänzender Methoden wie das fMRI (Blutflussveränderungen aufgrund neuraler Aktivität), Magnetresonanzspektroskopie (MRS, Neurochemie des Gehirns) und Elektroenzephalografie (EEG, elektrische Hirnströme), können tiefere und umfassendere Einsichten über Funktionsmechanismen der Hypnose gewonnen werden. Das Forschungsprojekt „multimodal investigation of distinct hypnotic states“ ist als interdisziplinäres Projekt konzipiert, in dem ausgewiesene Spezialisten für unterschiedliche Hirnforschungsmethoden mitarbeiten. - Große Stichprobenzahl
Es sind mindestens 50 Versuchspersonen in unsere Messungen inkludiert, um eine adäquate statistische Aussage treffen zu können. Wichtig in diesem Zusammenhang ist: Alle Versuchspersonen sind mit den hypnotischen Zuständen gut vertraut. Das ermöglicht ihnen detailliert Auskunft über die erlebten Zustände zu geben (Vergleich innerhalb-außerhalb MR Scanner), was unabdingbar ist für eine akkurate Einschätzung und Interpretation der neuroimaging-basierten Daten.
Im Forschungsprojekt „multimodal investigation of distinct hypnotic states“ sind drei Grundstudien geplant. Alle drei Studien haben das Ziel, die Hirnprozesse im Wachzustand, in hypnotischer Trance (Somnambulismus) und in einem sehr tiefen hypnotischen Zustand (Esdaile-Zustand) zu messen:
- fMRI-Studie
Das Ziel dieses Experiments ist die Messung der mit den Zuständen einhergehenden neuronalen Aktivitätsmuster im gesamten Gehirn. Dabei werden die funktionellen Netzwerke (Konnektivität) analysiert und beschrieben. - MRS-Studie
Baut auf den Erkenntnissen der fMRI-Studien auf und erlaubt ergänzende Einsichten über die neurochemischen Prozesse des Gehirns in Hypnose. Diese Methode erlaubt auf nicht-invasive Art und Weise die Messung der chemischen Zusammensetzung einzelner Hirnregionen. Somit können den Konnektivitäts-Veränderungen zugrundeliegende neurochemische Prozesse untersucht werden. - EEG-Studie
Diese soll die anderen zwei Techniken weiter ergänzen und elektrophysiologische Veränderungen zwischen den Zuständen in hoher zeitlicher Auflösung untersuchen.
Wichtig ist, dass dieselben Versuchspersonen an allen drei Messungen teilnehmen. Diese werden zufälligerweise fünf ausgebildete Hypnoseexperten zugelost, welche die Probanden für die jeweilige Messung hypnotisieren.
Ergebnisse
Die Messungen im Forschungsprojekt sind abgeschlossen. In einer ersten Analyse wurden Unterschiede in der Konnektivität zwischen Hirnarealen in Abhängigkeit der Zustände ausgewertet und am Hypnosekongress in Zürich Ende Oktober 2018 wurden dem anwesenden Publikum erstmals einige Einblicke in die Resultate gewährt. Im nachfolgenden Video können Sie sich die Präsentation vom Hypnosekongress Zürich vom November 2019 ansehen.
Das Forschungsprojekt hat im Rahmen des online Hypnosekongress 2020 weitere Ergebnisse präsentiert.
Publikation
Das fMRI Paper wurde am 19. Dezember 2023 im Magazin Frontiers in Human Neuroscience veröffentlicht!
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